[Inferiorität der intellektuellen Leistungen des Weibes. Schwierigkeiten der Deutung dieses Umstands. Die Möbiussche Ansicht vom physiologischen Schwachsinn des Weibes. Bedenken, die sich gegen dieselbe erheben.]


Die Frage, ob ausgesprochene Geschlechtsunterschiede in den wesentlichen Zügen und Äußerungen der Dummheit bestehen, ist bisher zumeist nur einseitig in Angriff genommen worden. Man hat wohl die bei dem zarten Geschlecht in besonderer Häufigkeit sich findenden und deshalb in gewissem Maße demselben eigentümlichen Mängel und Schwächen auf intellektuellem Gebiet bei den verschiedensten Gelegenheiten hervorgehoben, die Kehrseite der Medaille, die Eigentümlichkeiten der männlichen Dummheit, dagegen unberücksichtigt gelassen. Daß die intellektuellen Leistungen des weiblichen Geschlechts im Großen und Ganzen hinter denen des männlichen z. Z. noch zurückstehen, ist eine unbestreitbare Erfahrungstatsache. Ob und inwieweit diese Inferiorität jedoch durch die Eigenart der Organisation des weiblichen Gehirns oder durch den Einfluß der Lebensverhältnisse bedingt ist, denen das weibliche Geschlecht seit vielen Generationen unterlag, hierüber sind die Ansichten sehr geteilt. Manche glauben, daß das geringere Gehirngewicht der Frau — die durchschnittliche Differenz dem Mann gegenüber beträgt 100—150 Gramm — eine unübersteigliche Schranke für die Erlangung intellektueller Gleichwertigkeit mit dem Mann bildet. Ich habe jedoch a. O.1) dargelegt, daß das geringere Gehirngewicht der Frau nicht notwendig eine geringere intellektuelle Leistungsfähigkeit involviert, da für das geistige Vermögen die Organisation (der feinere Bau) wahrscheinlich von größerer Bedeutung ist, als die Masse des Gehirns.*) Für diese Auffassung spricht auch der Umstand, daß der Gewichtsunterschied zwischen den beiden Geschlechtern auch bei den niederen Rassen sich findet, bei welchen entsprechende Unterschiede auf intellektuellem Gebiet nicht festgestellt sind2). Moebius, welcher auf das geringere Hirngewicht des Weibes mit besonderem Nachdruck hinwies, hat die intellektuelle Inferiorität des weiblichen Geschlechts als "physiologischen Schwachsinn" bezeichnet und sich bemüht, die Charaktere dieser Minderwertigkeit darzutun.

Es ist begreiflich, daß man sich auf weiblicher Seite mit der Bezeichnung ihrer seelischen Eigentümlichkeiten als "physiologischer Schwachsinn" nicht befreunden konnte und auch männliche Stimmen sich gegen dieselben erhoben. Man kann die Bezeichnung auch nicht als eine glückliche betrachten. Was dem Geschlecht als solchem eigentümlich, für dasselbe physiologisch ist, darf nicht wohl mit dem ominösen, dem Gebiet des Pathologischen angehörenden Ausdruck "Schwachsinn" belegt werden. Hierzu kommt, daß beim weiblichen Geschlecht, wenn wir von genialen Begabungen absehen, sich dieselben Abstufungen der Intelligenz finden, wie beim männlichen, und wenn auch die intellektuelle Leistungsfähigkeit der beiden Geschlechter im allgemeinen verschieden ist, das Manko auf der weiblichen Seite doch nicht als so bedeutend sich erweist, daß man die weibliche Intelligenz im Vergleich zur männlichen als Dummheit oder Schwachsinn bezeichnen dürfte.

Wenn wir uns hier mit der Frage beschäftigen, ob diejenigen Individuen weiblichen Geschlechts, die wir als beschränkt erachten müssen, den auf ähnlichem intellektuellem Niveau stehenden Männern gegenüber gewisse geistige Besonderheiten darbieten, oder mit anderen Worten, ob die Dummheit bei beiden Geschlechtern besondere Züge aufweist, können wir nicht umhin, zunächst auf die Eigentümlichkeiten der weiblichen Psyche etwas einzugehen.

 

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1) Vorwort zu der Abhandlung von Fräulein Dr. G. Bäumer: Die Frau in der Kulturbewegung der Gegenwart; Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens Heft 32, Seite 7 und 8.

2) Man ist der Frage, inwieweit Geschlechtsunterschiede auf geistigem Gebiet bestehen, auch auf experimentellem Wege näher getreten. Helen Bradford Thompson (Vergleichende Psychologie der Geschlechter. Experimentelle Untersuchungen der normalen Geistesfähigkeiten bei Mann und Weib, übersetzt von J. E. Kötscher) teilt eine Reihe von Untersuchungen mit, die an männlichen und weiblichen Studenten von annähernd gleichem Alter und gleichem Bildungsgang angestellt wurden. Die Autorin glaubt aus den Ergebnissen dieser Untersuchung folgern zu dürfen, daß durch das Experiment Differenzen der geistigen Fähigkeiten der Geschlechter nicht festgestellt werden können. Wenn durch die von der Autorin mitgeteilten Ergebnisse die Frage der intellektuellen Geschlechtsunterschiede auch noch keineswegs gelöst ist, so sprechen dieselben doch entschieden zugunsten der von mir vertretenen Auffassung.

*) Zusatz: Schwalbe (Lehrbuch der Neurologie, 1881) hat darauf hingewiesen, daß das geringere Gehirngewicht der Frau mit deren geringerem Körpergewicht und kleinerer Statur zusammenhängen mag und deshalb nicht als Ausdruck geringerer Intelligenz aufzufassen sei. Das relative Hirngewicht der Frau dürfte nach Schwalbe nicht hinter dem des Mannes zurückstehen. Zu einer ähnlichen Anschauung wie Schwalbe gelangte Marchand (Über das Hirngewicht des Menschen. Biolog. Zentralblatt 1902). Dieser Autor kam zu dem Schlusse, daß das geringere Gehirngewicht des Weibes Ausdruck einer anderen Organisation des weiblichen Körpers überhaupt ist, an der auch das Gehirn seinen Anteil hat.  


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