[Nachahmung von Gebräuchen höherer Stände.]


In einer dritten Reihe von Fällen ist weder Zwang noch die Erkenntnis des Nutzens für die Verbreitung gewisser Kulturelemente in Anspruch zu nehmen. Es handelt sich hier um die Nachahmung von Gebräuchen höherer Stände, welche der Befriedigung ästhetischer, ethischer oder religiöser Bedürfnisse dienen, zum Teil auch um Befriedigung derartiger Bedürfnisse bei den Massen. Hierher gehört alles, was dem Schmuck der Wohnungen dient, die Verfeinerung der Kleidung und deren Anpassung an verschiedene Witterungsverhältnisse etc. Die Verschönerung der Wohnräume durch bildliche Darstellungen und Ziergegenstände, künstlerische Gestaltung von Hausutensilien und dergleichen entsprach ursprünglich jedenfalls einem ästhetischen Bedürfnisse, das sich nur bei den gebildeteren und wohlhabenderen Bevölkerungselementen fand. Heutzutage sehen wir jedoch, daß dieser Luxus in ausgedehntestem Maße vielfach auch von Leuten nachgeahmt wird, die keinerlei derartige ästhetische Bedürfnisse besitzen. Auf der anderen Seite finden wir aber auch, wenigstens in den Städten, in den bescheidensten Wohnungen einen gewissen Wand- und Fensterschmuck (durch Blumen), der nicht lediglich auf Nachahmung der Gebräuche Höherstehender, sondern jedenfalls zum Teil auf ästhetische und insbesondere religiöse Neigungen der Betreffenden zurückzuführen ist.

Für die raschere oder langsamere Verbreitung einzelner Kulturfortschritte und die Erhaltung eines gewissen Kulturzustandes ist aber auch die Intelligenz der in Betracht kommenden Bevölkerung von nicht untergeordneter Bedeutung. Hierfür hat die Neuzeit einige recht auffällige Beispiele geliefert. Japan hat in wenigen Dezennien sich die neueren Errungenschaften der europäischen Kultur in einer Weise angeeignet, daß ihm die Konkurrenz mit den europäischen Großmächten nicht nur auf militärischem und maritimem, sondern auch auf kommerziellem und industriellem Gebiet möglich wurde. Dagegen haben die Neger auf Haiti in dem Jahrhundert ihrer politischen Unabhängigkeit, obwohl denselben alle Segnungen der Kultur wie den Japanern zugänglich waren, es weder zu dauernden geordneten Zuständen, noch zur Annahme von mehr als bloßen Äußerlichkeiten der europäischen Kultur gebracht. Dieses verschiedene Verhalten ist offenbar nur auf Unterschiede in der geistigen Begabung der betreffenden Bevölkerungselemente zurückzuführen. Die Neger auf Haiti zeigen die ihrer Rasse zukommende intellektuelle Inferiorität, die sie verhindert, das Wesen der europäischen Kultur sich anzueignen und zu verwerten. Die Japaner andrerseits standen schon vor der Modernisierung ihres Staatswesens annähernd auf derselben intellektuellen Stufe wie die europäischen Kulturvölker, obwohl sie kulturell hinter diesen zurückstanden.


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