[Die Eigentümlichkeiten der männlichen Dummheit. Unterschätzung der Details. Charaktere des Bierphilisters. Die fortschrittlichen Hohlköpfe.]


Die Dummheit des Mannes zeigt selbstverständlich dieselben Grundcharaktere, wie die des Weibes. Daneben weist dieselbe jedoch auch manche Züge auf, die ein Gegenstück zu den auf der weiblichen Seite sich findenden Eigentümlichkeiten darstellen. Während die beschränkte Frau, wie wir sahen, zu sehr an Kleinigkeiten hängt, finden wir bei dem auf gleichem intellektuellen Niveau stehenden Manne oft eine Unterschätzung der Kleinigkeiten, d. h. des Untergeordneten, der Details, die aber oft für das Resultat einer Arbeit von weitgehender Bedeutung sein mögen. Der beschränkte Mann begnügt sich z. B., seinen Berufsgeschäften nachzugehen, und legt diesen eine unverhältnismäßige Wichtigkeit bei, dabei kümmert er sich aber um Details nicht, deren Vernachlässigung ihm den größten Schaden bringen kann. Er überläßt die Sorge für die Wirtschaftsführung und die Kindererziehung seiner Frau, da er es nicht für nötig hält, sich mit diesen in seinem Gedankenkreis untergeordneten Dingen zu beschäftigen, und es kann dabei vorkommen, daß, was er im Geschäft erwirbt, durch den unwirtschaftlichen Sinn der Frau verloren geht.

An Stelle der weiblichen Neugier finden wir bei dem beschränkten Mann eine ungerechtfertigte Beschränkung des Interesses auf die eigenen Angelegenheiten. Was ihn nicht unmittelbar berührt, kümmert ihn nicht, läßt ihn völlig gleichgültig, und er wendet daher auch dem Tun und Treiben der Nachbarn keine Aufmerksamkeit zu, auch wenn triftige Gründe dies erheischen würden. Dieser Stumpfsinn hängt mit einer anderen, wenigstens sehr häufig bei den wenig begabten Männern sich findenden Eigenschaft zusammen, der übermäßigen Schätzung der persönlichen Bequemlichkeit und des persönlichen Genusses, d. h. materieller Gesinnung. Der beschränkte Biedermann (Bierphilister), wie er sich auf deutschem Boden reichlich vertreten findet, haßt alles, was ihn in seiner Gemütsruhe und dem Genuss seines Lieblingsgetränks irgendwie stören könnte. Er will vor allem seine Ruhe haben. Jede Angelegenheit, die ihm ernstes Kopfzerbrechen verursachen könnte, jeder Streit um rein ideelle Werte ist ihm widerwärtig; jede Neuerung, die ihn irgendwie aus seiner Bequemlichkeit aufrütteln und in seiner Gewohnheit stören könnte, stößt auf seinen Widerstand. Wo es sich um die Wahrung seines materiellen Vorteils handelt, begreift er nur das Nächstliegende. Die Kirchturmsinteressen gewinnen bei ihm immer die Oberhand über die Interessen des Kreises und des Staates. Neben diesen stumpfsinnigen Konservativen finden sich jedoch auch Schwachköpfe, die ihren Stolz darein setzen, dem Fortschritt à tout prix zu huldigen, und für alles Neue oder scheinbar Neue sich begeistern, wenn hierzu auch keine Veranlassung vorliegt. Diese sind es, die jede Modetorheit mit einem Eifer aufgreifen, als ob es sich um eine Sache von höchstem Wert handle, die jede in Aussicht stehende Verbesserung einer Einrichtung schon als Tatsache betrachten und ihre Ansichten über Personen und Dinge ohne Prüfung wie ihre Kleider wechseln, weil sie immer auf der Höhe bleiben wollen.


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