[Torheiten der reiferen weiblichen Jugend.
Vorherrschen des erotischen Elements.]


Es ist ein recht bemerkenswerter Umstand, daß das zarte Geschlecht, dem man den geringeren Verstand zuschreibt, mit dem starken inbezug auf Jugendtorheiten nicht entfernt konkurriert. Dazu kommt, daß die Torheiten der reiferen weiblichen Jugend sich ganz vorwaltend auf einem bestimmten Gebiete bewegen, dem der Erotik, und zum größten Teile ohne praktische Konsequenzen bleiben. Es ist dies wohl in erster Linie auf die Freiheitsbeschränkungen zurückzuführen, welche Herkommen und Sitte den Mädchen auferlegen, zum Teil jedenfalls aber auch auf den Umstand, daß der Alkoholmißbrauch bei der weiblichen Jugend nicht entfernt so verbreitet ist, wie bei der männlichen. In dem Denken des Backfischs und auch der reiferen Jungfrau spielt der schmucke Leutnant, der Opernsänger, der Schauspieler, mitunter auch der Lehrer die Rolle eines Ideals, dem alle möglichen Vorzüge auf körperlichem und geistigem Gebiete zuerkannt werden, wie wenig auch die Wirklichkeit eine derartige Annahme stützen mag. Die Torheit dieser Verhimmelung führt jedoch zumeist nur zu einem Seufzen und Sehnen, das sich nach außen hin nicht offenbart, oder zu einer Liebelei, die, wenn sie sich auch nicht ganz in den Grenzen der Konvention hält, doch zu keiner Unbesonnenheit von größerer Tragweite führt. Das Durchbrennen mit dem Geliebten, der von den Eltern als Schwiegersohn akzeptiert zu werden keine Aussicht hat, ist kein häufiges Vorkommnis und nicht immer als Äußerung von Jugendtorheit zu betrachten, da mitunter die von dem Mädchen getroffene Wahl durchaus vernünftig ist und von den Eltern ohne moralische Berechtigung bekämpft wird.

In das Kapitel der Jugendtorheiten bei Mädchen gehört auch die übermäßige Schätzung gewisser Berufsarten, die eine Aussicht auf den Erwerb von Berühmtheit und großen materiellen Verdienst bieten, speziell des Schauspielerinnen- und Sängerinnenberufs. Der Nimbus, der die berühmte Schauspielerin oder Sängerin umgibt, der Beifall, den sie auf der Bühne erntet, die Fama von der hohen Gage, die sie erhält, weckt in den Köpfen vieler Mädchen das Verlangen nach einer ähnlichen Stellung, auch wenn kein begründetes Anzeichen von Talent besteht. Die traurigen Seiten der Bühnenkarriere und die Schwierigkeiten der Ausbildung für dieselbe spielen in diesen Köpfen keine Rolle, und so wird bald mit, bald ohne Zustimmung der Eltern der Versuch unternommen, die ersten Stufen auf der zum Ruhm führenden Leiter zu erklimmen. Diese ersten Stufen erheischen jedoch schon schwere Geldopfer und bringen so viele herbe Ent- täuschungen, daß auf weiteres Bemühen, die Ruhmesleiter zu erklimmen, zumeist verzichtet wird.


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